Autorität und Angst
Der Unterschied zwischen gesunder und ungesunder Autorität ist fühlbar dadurch, daß man vor gesunder Autorität keine Angst haben muß, jedoch vor ungesunder Autorität.
Vor gesunder Autorität hat man Respekt, aber sie strahlt nichts aus, vor dem man Angst haben müßte.
Gesunde Autorität ist aufgrund ihres Verhaltens, ihres Wissens in einem bestimmten Bereich in der Lage, mir etwas zu sagen, mich zu lehren, mich anzuweisen.
Sie braucht es nicht, sich über andere zu stellen, andere klein zu machen, Macht auszuüben in jeder erdenklichen Art.
Eine auf emotionale Wunden basierende Autorität ist durch folgende Merkmale zu beschreiben:
- benutzt Umstände, um sich größer/besser/weiter/überlegener zu fühlen
- fühlt sich im Grunde minderwertig, wertlos, emotional hungrig
- manipuliert andere, um sich besser zu fühlen
- kann nie genug kriegen vom Ausüben ihrer Position
- ist nicht selbstreflektiert genug, um fühlen zu können, daß ihr Verhalten anderen und
auch sich selbst weh tut, sie beschämt, sie erniedrigt, sie von sich abhängig macht
- braucht Medikationen wie z.B. Statussymbole, Uniformen, um ihre Position zu erhalten, zu unterstreichen, größer zu machen
- ist nur an ihrem eigenen Wohl interessiert
- kann heimtückich sein, hinterlistig, manipulierend, kalt, seicht
- tut alles dafür, nicht angreifbar zu sein
- möchte keine „Schwächen” zeigen
- hat ein riesengroßes Selbstbild
- tut alles dafür, ein Gefälle herzustellen zum Gegenüber: Theke, Uniform, Sprache, Habitus, vermeintliche Verbindung zu „Spirit”
- braucht Gehorsam
Autorität ist immer und überall spürbar.
Ich in Beziehung mit meiner Umwelt und ich in/mit mir selbst.
Wie geht es mir täglich mit „Autoritäten”?
Je mehr ich mit dem Thema bin, umso mehr wird mit gewahr, wie sehr ich permanent in jeder Begegnung mit Menschen in meinem Leben damit beschäftigt bin, mich zu unterwerfen oder die Oberhand zu bewahren, und dann noch, wie ich da herauskomme.
Arroganz anderer macht mich sofort klein, trifft meine Minderwertigkeit, Scham, Angst vor Ablehnung. Arroganz ist fast mit das prägnanteste Merkmal einer, auf emotionalen Wunden basierender Autorität. Je mehr Arroganz, umso schwerer und weiter weg besteht für mich die Möglichkeit, mit dieser Person in Kontakt zu kommen. Und das schüchtert mich dermaßen ein, daß ich mich falsch fühle. Eher fühle ich mich falsch, als daß ich den Raum in mir habe, die vermeintliche Autorität anzuzweifeln.
Wie lebt denn Autorität in mir selbst, oder anders, mit mir selbst?
Wer gibt denn bei mir/in mir den Ton an? Wer in mir kontrolliert, überwacht dieses Thema?
Es muß früh in der Kindheit angefangen haben, ein Thema zu sein, und zwar vom Aufwachen an bis zum ins Bett gehen. Die Angst, meiner Mama, meinem Papa, meiner Oma, Opa, all den Menschen, die in meinem Umfeld waren, nicht passend zu sein, alles Mögliche falsch machen zu können, und dafür dann bestraft zu werden, war riesig. Ich bin heute noch nicht an dem Platz, diese Angst, die ja immer noch in mir lebt, voll und ganz fühlen zu können, sodaß sie sich endlich von einem Erwachsenen, nämlich von mir, gefühlt fühlen kann.
Ich habe genau diese Instanzen auch in mir, denen ich mich unterwerfe, vor denen ich mich kleinmache. Die ganze Schar an Stimmen, die mir von morgens bis abends sagen, was ich tun muß, was ich nicht tun darf, worauf ich achten muß, was auf keinen Fall passieren darf usw. Alles Konditionierungen aus der Kindheit, die in mir leben wie mein Fleisch und Blut.
- Autorität Stewardess: mich trauen zu fragen, ob ich noch ein Getränk haben kann, wenn es nicht von sich aus angeboten wird
- Autorität fremder Mann: den Mann am Gate zu bitten, leiser zu telefonieren
- Autorität schicke Frau: ihr zu sagen, ihr Parfüm ist mir zu intensiv, ich bin davon genervt
- Autorität Kollege: mich nervt dein Kaugummikauen
- Autorität Hotellobby: die Klimaanlage ist mir zu kalt und die Musik zu laut
- usw.
Je mehr wir uns fühlen, wie wir uns fühlen, während wir uns fühlen, um so mehr Raum haben wir in uns, in dem gesunde Selbstautorität sich entfalten kann. Und je mehr gesunde Selbstautorität in uns lebt, umso weniger erheben wir uns über andere oder machen uns vor anderen klein, um zu passen.
Gesunde Selbstautorität wird wachsen, wenn wir die Angst vor Autoritäten in uns fühlen, sodaß sich diese Angst in uns gefühlt fühlt, und wir uns trotzdem immer mehr trauen, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind.
